Mutlu Torun
ARTIKEL

EINIGE ÜBERLEGUNGEN ZUR ENTWICKLUNG DER TÜRKISCHEN MUSIK

( by Mutlu Torun )

Die Veränderung der türkischen Musik führt fort. Damit diese Veränderung eine Weiterentwicklung beinhalten kann, sollten die Komponisten, Ausführenden, Vermittler (Herausgeber der CD's,die die Musik auswählen und den Zuhörern überliefern, Fernsehen und Radio…) und die Zuhörer gut gebildet sein. Jede einzelne dieser verschiedenen Gruppen sind Hauptthema einer Untersuchung; jedoch möchte ich nur einige Ideen darlegen, die seitens unserer Komponisten realisiert werden können.

Mehrstimmigkeit ist eine andere Dimension der Musik. Man sollte diese Dimension nicht entbehren. Sinnreiche mehrstimmige Werke, die mit Überlegungen der türkischen Musik entsprechend angehört, ausprobiert und erforscht werden, werden nicht ausgeschlossen. (Unser Thema sind die Arbeiten, die das System und die Art der Türkischen Musik betreffen.)

Die Kombination von türkischer Musik und Mehrstimmigkeit sollte nicht mit Angst betrachtet werden.

Musik mit Texten verringert das Abstrakte und die Subjektivität der Musik. Die Phantasie des Hörers verliert die Chance einer unendlichen Auswahl (wie schön die Dichtung auch sein mag, Musik wird mit Lenkung der Worte wahrgenommen). Die Dichtung ist für den Hörer eine Vereinfachung, und solche, die kommerziell sind, machen den Weg zur Billigkeit frei.

Wir sollten instrumentale Werke in unserer Musik vermehren.

Unsere klassische Musik ist im Allgemeinen eine "verbale“ Musik. Und die wenig vorhandenen instrumentalen Werke klingen, als ob sie gesungen werden und für eine menschliche Stimme komponiert worden sind. (wie der Stimmenbereich, anliegende Intervalle, die Struktur der Musiksätze…) Eine mit Tanburi Cemil Bey angefangene Bewegung lässt an manchen Stellen wahrnehmen, dass die Werke auch wirklich für instrumentale Lieder geschrieben worden sind, obgleich sie den alten Stil fortführen. Aus den Noten der Werke von H. Sadettin Arel, Ferit Alnar, Reşat Aysu und sehr vielen Komponisten, die heute nicht mehr am Leben sind, lässt sich verstehen,dass diese Werke für Instrumente komponiert wurden.

In den instrumentalen Werken sollten neben den Passagen des Gesangstils auch Teile möglich sein, die die Möglichkeiten der Instrumente hervorheben.

In unserer Musik-Tradition spielt jeder Ausführer eine einheitliche Note, die er nach seiner Auffassung und seinem Instrument ausschmückt oder vereinfacht. Unterschiedliche Ausführung der Note kann bei jedem Spielen verschieden sein. Wenn man die Ausführung und die Note von Cemil Bey vergleicht, tritt diese Eigenschaft sofort hervor (zum Beispiel bei Şedaraban Saz Semaisi).Doch wie es bei TRT und zuvor beim Rundfunk war, wird auch jetzt bei manchen Ausführungen keine andere Variation außer der Note angewendet.

Weil in unserer Tradition die Werke als einheitliche Note aufgezeichnet wurden, wie vor und in der Barock-Zeit bei Jazz, muss es so gespielt werden, wie es der Komponist spielen würde, wenn er am Leben wäre.

Obwohl die Möglichkeit und der Charakter von jedem Instrument andersartig ist, ist keine Musik für jedes einzelne Instrument geschrieben worden. Es verhält sich nicht so wie beim Klavier, der Gitarre und dem Cello, bei denen die Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind und dass vorher an alles gedacht wurde, dass so gespielt werden kann wie die Noten es dafür vorgesehen haben und dass alles festgelegt und aufgezeichnet worden ist. Obwohl die Bezeichnung ‘Ney Peşrevi’ (Ouvertüre für Flöte) oder ‘Kemençe ve kanun için saz semaisi’ (instrumentales Lied für Kementsche und Kanun) sehr logisch sind, wurden sie nicht zustande gebracht. Dagegen hat Şerif Muhyiddin Targan aparte Werke für Ud und Studien darüber geschrieben, aufgeführt und sich damit Anerkennung auf der ganzen Welt eingeholt. In diesen Werken wurden die Möglichkeiten des Ud ausgeschöpft und mit Techniken, die einem Udspieler nie einfallen würden, sehr angenehme Klänge erreicht Später schrieb Yalçın Tura für das Instrument Kanun das Werk ‘Dalgaların Oyunu’ (Spiel der Wellen) und für Ud Stücke, die Münir Nurettin Beken auf dem İstanbul Festival gespielt hat. Ähnliche Werke, die geschrieben und in unserem kleinen Umkreis gespielt werden, müssen sich vermehren und verbreiten.

Es sollten spezielle Stücke für das jeweilige Instrument geschrieben werden, die ihrem Charakter und ihrer Ausdruckseigenschaften entsprechen, ihre Techniken darlegen und ihre Möglichkeiten ausschöpfen.

Es gibt ein aus zahlreichen Meisterwerken bestehendes Musikrepertoire, die zu unseren in Vers- und Silbenmaß geschriebenen Gedichten komponiert wurden.Bei freien Gedichten der neuen türkischen Dichtung ist das nicht der Fall. (Außerdem machen sich heute durch den Druck ‘es soll populär sein’ des Fernsehens, der FM-Sender und CD-Herausgeber billige ‘Liedertexte’ bemerkbar.) In jeder Epoche haben Musiker die Gedichte ihres Jahrhunderts komponiert. Die türkische Musik muss die neue türkische Dichtung ergreifen.

Die neue türkische Dichtung sollte eine türkische Musik haben.

Gedichte im Versmaß besitzen einen eigenständigen Rhythmus, der sich sofort bemerkbar macht. Dieser Rytmus hat in unserer Musik einen entsprechenden Ausdruck gefunden; zwischen den lebhaften Taktarten, großen Taktarten (usul) und dem Versmaß (aruz) wurde eine Verwandtschaften hergestellt; wie prinzipiell lange Silben lange Noten oder Notengruppen und kurze Silben kurze Noten bekommen. In naher Vergangenheit ist der Begriff „prozodi“ auf diese Beziehung beschränkt worden. Auch mit Wegweisung des TRT-Repertoireausschusses sind die Silben immer mit der „syllabique“-Methode komponiert worden (eine Silbe wird mit einer kurzen oder langen Note ausgedrückt). Die neuen Lieder der türkischen Musik kingen wie gesprochen. (Ruşen Kam dazu: “Warum komponieren sie überhaupt, dann sollen sie sprechen.“) Dagegen basiert der allgemeine Charakter der türkischen Musik auf „melismatique“ (Eine Silbe wird auf mehr als einer Note verteilt). Eine Übertreibung davon führt dazu, dass der Rhythmus in den Hintergrund geschoben wird und die Worte dabei unverständlich werden. Es muss in Maßen gehalten werden. Wie es bei Mustafa Çavuş und den thrazischen Türken der Fall war.
Bei der Silben- Noten Beziehung muss eine bestimmte Harmonie erstellt werden, wobei sowohl das Gedicht verstanden wird, als auch der Charakter der Musik erhalten bleibt.

Jedes Gedicht besitzt ein Gefühl, einen Leitgedanken und eine Welt. Dass dies mit Musik zum Ausdruck kommt ist normal. Abgesehen davon gibt es die Sprache, in der das Gedicht geschrieben wurde. Wenn dasselbe Gedicht auf Englisch oder Griechisch geschrieben wäre, gäbe es eine andere Silbenanzahl und Betonung. Also sollte die Musik dem Türkischen im Gedicht angepasst werden; wie sozusagen eine Ausdehnung der beim Lesen eines Gedichts vorhandenen Musik; ein Übergang zur Musiksprache.

Man sollte versuchen, die beim Lesen der Dichtung entstehende Musik und Empfindung zu erreichen.